Neue bio-, gen- und informationstechnische Entwicklungen verändern die Gesellschaft und gesellschaftliche Praktiken mit zunehmender Dynamik. Die künstliche Befruchtung außerhalb des Körpers mit anschließender Einpflanzung der befruchteten Eizelle ist vor gerade einmal 35 Jahren als eine ambivalente Revolution der Fortpflanzung heftig diskutiert worden. Heute erscheint sie als eine gängige Methode. Dabei zeigt der Blick auf andere Länder, wie weit dies im Kontext einer schnell wachsenden reproduktionsmedizinischen Industrie reicht: Samenbanken und „Social Freezing“ (Einfrieren von Eizellen zwecks späterer Schwangerschaft), Eizellspenden oder Leihmutterschaften gehören mittlerweile ebenso zur Praxis wie die Präimplantationsdiagnostik. Aber auch andere Entwicklungen werfen grundlegende gesellschaftliche Fragen auf. Ein Beispiel ist die immer häufiger praktizierte ästhetisch-chirurgische oder biotechnische (Selbst-)Gestaltung des Menschen nach Maßgabe von Schönheits- oder Perfektionsvorstellungen. Nicht zuletzt rückt der Fortschritt der Informations- und Maschinentechnik Roboter mit „menschlichen“ Zügen und umgekehrt Menschen mit hochleistungsfähigen Prothesen oder chipgesteuerten Gehirnfunktionen in greifbare Nähe.
Die vom Hamburg Center for Bio-Governance organisierte, interdisziplinäre Ringvorlesung dreht sich darum, wie man neue bio-, gen- und informationstechnische Entwicklungen angemessen erfassen kann, welch fundamentalen Herausforderungen mit ihnen verbunden sind und wie man sie angemessen regulieren kann. Im Konzept der Bio-Governance werden die Perspektiven unterschiedlicher Disziplinen zusammengeführt, damit eine sachgerechte Regulierung möglich wird.